Nur über eines waren sich die Reporter, die aus dem Mannheimer Gerichtssaal bericheten, in dem Jörg Kachelmann vor knapp zwei Wochen freigesprochen wurde, einig: Es gäbe keinen Grund zur Freude; das Urteil und vor allem dessen Begründung seien unbefriedigend.
Daran ist etwas Wahres, und doch stimmte das Prozessende so manchen distanzierten Beobachter freudig: Endlich keine Berichterstattung über den Fall Kachelmann mehr! Endlich keine spekulativen Reportagen in seriösen Blättern wie der ZEIT und dem Spiegel, endlich keine prä-emanzipatorischen Fragestellungen wie "Ist der Mann an sich ein Schwein?"* in seriösen Talkshows wie Maybrit Illner.
Dass das Boulevard sein voyeuristisches Publikum auch weiterhin mit privaten Details aus dem Leben des Jörg Kachelmann und derer seiner Ex-Geliebten bedienen würde, war zu erwarten. Umso enttäuschender ist es, dass auch die seriösen Zeitungen nach der Urteilsverkündung nicht vom Zug des Voyeurismus abgesprungen sind. Dass die ZEIT ihr Dossier einem mehrseitigen Interview mit dem Freigesprochenen geopfert hat, um ihm die Gelegenheit zu geben, sich in der Opferrolle zu positionieren, hat mich zum ersten Mal darüber nachdenken lassen, mein Abo zu kündigen. Nur ein einziger wertvoller Satz steht in dem Interview - und der stammt von Jörg Kachelmann: "Diese Frage ist der Tradition und der Qualität nicht angemessen."
Das war das ganze Interview nicht.
*sinngemäß