Freitag, 25. Februar 2011

Nachruf an die Ehre

Von Tobias

Zugegeben, im Moment werden die Medien von Berichten über Dr. a.d. (sprich: adé) Karl-Theodor zu Guttenberg geflutet und ich wollte eigentlich den Zähler nicht noch weiter hochtreiben. Allerdings macht es die Dreistigkeit, mit welcher der Minister die Angelegenheit behandelt, kaum möglich, sie zu übergehen. Allein die Aussage, er sei durch den Entzug des Doktors genug bestraft, spottet jeder Beschreibung. Das ist, wie wenn ein Juwelendieb, der von Polizei gestellt wurde, vor dem Richter auf Freispruch plädiert, weil er durch die Rückgabe der Steine genug bestraft wurde. Nein, demjenigen, der Enrecht begangen hat, soll vielmehr die Möglichkeit zur Resozialisierung gegeben werden. In dem hier thematisierten Fall wäre ein Räumen des ehrenvollen Ministerplatzes sicher ein Schritt in die richtige Richtung, sozusagen als Umkehrschluss des Satzes „Ehre, wem Ehre gebührt“.

Besonders beleidigend ist, wie der Freiherr versucht, seine Mitbürger für dumm zu verkaufen, ist doch schließlich nur die Rede von „Fehlern“ in der Dissertation. Nach meiner Einschätzung enthält die „summa cum laude“-Arbeit nur eine fehlerhafte Seite - nämlich die mit seinem Ehrenwort. Wenn Politiker in einer Sache nicht gut sind, dann darin, unangenehme Wahrheiten beim Namen zu nennen. Ein Kundus-Massaker wird da schnell zu einer Kundus-Affäre herabstilisiert, als ob Ulla Schmidt dort einen Dienstwagen verloren hätte. Damit sind wir schon bei einem weiteren wichtigen Punkt angekommen, denn eigentlich hätte sich die Kanzlerin dazu herablassen sollen, ein Machtwort zu sprechen und ihrer Lichtgestallt ein Schattendasein in der Politik zu spendieren. Was geschieht stattdessen? Die Kanzlerin argumentiert, sie habe schließlich keinen Inhaber einer Doktorarbeit, sondern einen Verteidigungsminister berufen. Nun, damit könnte auch ich dienen, denn die Ansprache auf meiner Notenbescheinigung lautet „Herr cand. phys.“, womit ich im Merkelschen Sinne wahrscheinlich überqualifiziert wäre, besitze ich schließlich mehr Titel als der Herr Minister – und das mit zarten 24 Jahren.

Glück hat der Lügenbaron allerdings trotzdem, da Karl-Theodor zu Guttenberg nicht sein Vorgesetzter ist, der bei solch ungebührlichem Verhalten normalerweise kurzen Prozess macht. Tut ein Generalinspekteur seine Meinung kund, wird diese Majestätsbeleidigung mit viel Freizeit für den Lakai bestraft. Auch der Gorch Fock Kapitän wurde noch in internationalem Gewässer von seinem Dienst freigestellt. Unschuldig, bis das Gegenteil bewiesen wurde, gilt eben nur ab und zu. Manchmal gilt unschuldig auch noch, nachdem das Gegenteil schon bewiesen wurde.

Wie Historiker wissen, stand die KT-Grenze (de.wikipedia.org/wiki/KT-Grenze) schon einmal für einen großen Umbruch und auch in diesen Tagen wurde sie wieder überschritten. Die Ära der Monarchen ist schon seit einiger Zeit vorbei und Deutschland befindet sich eigentlich schon lange nicht mehr im Erdmittelalter. Es muss endlich wieder Normalität einkehren, in naher Zukunft will ich die Missetaten des Adels wieder ausschließlich in Geschichtsbüchern und nicht in der Tageszeitung lesen. In diesem Sinne kann ich KT nur einen Tipp geben: Werden Sie, was Sie schon immer sein wollten – ein Fall für Historiker.

Dienstag, 22. Februar 2011

Kritik des praktischen Journalismus

Da ist es, das Wort. Sarrazin-Jahr. Özlem Topcu benutzt es in der aktuellen Ausgabe der ZEIT, als kunstvollen journalistischen Neologismus und als Abgrenzung des vergangenen Jahres zum laufenden 2011, das - nach allem, was man bisher sagen kann - als das muslimische Revolutionsjahr in die Geschichtsbücher eingehen wird. 2011 verspricht demnach das Jahr zu werden, indem Muslime ihre Demokratiefähigkeit, ihren Intellekt, ihre Fähigkeit, frei und unfundamental zu denken, bewiesen haben. Ganz anders als das Muslim-Image 2010. "Sind das nicht diejenigen, die bei Hartz IV abzocken, bildungsfern sind, den deutschen Staat ablehnen, im Wohnzimmer Scharia-Urteile sprechen, gewaltbereit durch Kreuzberg ziehen und am Fließband Kopftuchmädchen produzieren?", fragt Frau Topcu.

Als Leser wiederum stellt man sich zwei Fragen.
Erstens: Was soll eigentlich das ständige Reduzieren der arabischen Demonstranten auf ihre Religion? Liegt es nicht vielmehr in der Natur des - per se zum freien Denken neigenden und kein religiöses Gen besitzenden - Menschen, gegen seine Unterdrückung anzukämpfen? Das Besondere an den Aufständen besonders in Ägypten erschien mir jedenfalls bisher die Heterogenität der Demonstranten. Da stehen Musliminnen mit Kopftuch neben jungen Atheistinnen und alten Christen - und sind sich einig.
Wenn die Aufstände in Nordafrika einen Imagewandel erzeugen können, dann sollte der für den Menschen als solchen gelten, nicht für eine Religionsgemeinschaft.

Zweitens: Möchte man wirklich den Begriff "Sarrazin-Jahr" für eine Sache etablieren, die der Unsägliche nicht einmal selbst herbeigeführt hat? Ich weiß, was Frau Topcu mit dem Terminus meint, und das ist, so fürchte ich, das Gegenteil dessen, wozu er mutieren wird, sollte er sich dauerthaft durchsetzen. Wenn eine Ära nach einer (historischen) Persönlichkeit benannt wird, dann wirkt dieser Zeitraum für die Nachkommen ganz automatisch wie eine Zäsur. Als hätte der Namensgeber dieser Ära etwas geschaffen, das es vorher noch nicht gegeben hat. Das mag an mancher Stelle gerechtfertigt sein - wer hätte schon etwas gegen die Verwendung Freudscher oder kafkaesker Anspielungen oder dagegen, Konrad Adenauer als Synonym für eine danach nie wieder vorfindbare deutsche Kanzlerdemokratie zu bezeichnen. Sarrazin jedoch zuzugestehen, eine neue Debatte ausgelöst zu haben, schlägt gänzlich fehl, auch wenn er - allerdings nicht 2010 - das Patent auf die geistige Schöpfung "Kopftuchmädchen" erheben konnte. Am Ende könnte man Sarrazin nämlich noch zugute halten, er habe eine Diskussion angestoßen, die die Muslime als solche dazu motiviert hätte, sich als demokratiebejahende, freiheitsliebende und eigenständig denkende Lebewesen zu beweisen, um den Imagewandel, von dem Frau Topcu sprach, zu beschleunigen. Ich kann nur hoffen, dass das Wort "Sarrazin-Jahr" nicht die Runde macht. Sonst wirkt es in den Geschichtsbüchern des 22. Jahrhunderts noch so, als seien die Revolutionen in Nordafrika einem ehemaligen deutschen Bundesbanker zu verdanken.

Donnerstag, 10. Februar 2011

Warum Frauen keine Quote brauchen oder Warum Quotenverneiner die besseren Feministen sind

Von Tobias

Ein Mann, der einen Artikel über die Frauenquote schreibt? Hier weiß man ja schon vor der Lektüre, zu welchem Schluss der kommt! So mögen wohl einige der geneigten Leser denken und um es gleich vorwegzunehmen: Damit haben sie auch recht. Bevor Päpstin Alice die Erste jedoch die Vogelfreiheit über mich verhängt, möchte ich die Gelegenheit nutzen, um meine Ansichten darzulegen – wir sind ja schließlich nicht bei der Bundeswehr, bei der man auf solche Gepflogenheiten seit der Wiedereinführung des Adels keinen Wert mehr legt.

Bevor man über die Einführung einer Quote debattiert, sollte man sich erst einmal Gedanken machen, was eine solche eigentlich verändern soll. Offensichtlich verhält es sich zurzeit so, dass gerade eine Handvoll Vorstände in den DAX-Unternehmen weiblich sind: Ein Sektor also, der fest in männlicher Hand ist, was sich im Sinne der Gleichberechtigung natürlich schnellstens ändern muss. Man könnte jetzt argumentieren, dass es in der Abfallentsorgungswirtschaft um das Männer-Frauen Verhältnis genau so schlecht bestellt ist, allerdings geht man mit solchen Parolen mit Sicherheit nicht auf Wählerfang.

Die Forderung nach einer gerechten Anzahl weiblicher Managerinnen in der Vorstandsschaft ist natürlich auf jeden Fall zu begrüßen. Nur: Was bedeutet gerecht? Die meisten mögen jetzt wohl reflexhaft „50 Prozent, mindestens!“ rufen. Dem kann ich mich allerdings nicht ganz anschließen. Gerecht bedeutet für mich, dass der Vorstand die Zusammensetzung der Belegschaft widerspiegelt. Bei VW beispielsweise stellen die Arbeiter am Band wohl die größte Beschäftigungsgruppe dar und es ist wohl davon auszugehen, dass die überwiegende Mehrheit davon männlich ist. Es ist also nur natürlich, dass man in einem solchen Unternehmen entsprechend mehr Männer in Führungspositionen findet als Frauen. Umgekehrt sollte es natürlich auch so sein, dass man in Unternehmen, die vorrangig Frauen beschäftigen, auch mehr Frauen in höheren Positionen findet. Allein dieses kleine Beispiel lehrt, dass die harte Festsetzung einer Quote nicht das Allheilmittel sein kann.

Wir wollen uns nun also der Frage widmen, ob eine differenziertere Festsetzung der Quote zum gewünschten Erfolg führen kann. Eines muss einem von Anfang an klar sein: Unternehmen, die nicht aus eigenem Antrieb ihr Verhalten ändern wollen, werden dies auch nicht mit einer Quote machen. Wie schnell kann man beispielsweise einen normalen Arbeitsplatz als Sekretärin auf dem Papier in „Chief executive assistent“ umdeklarieren. Das hört sich nicht nur besser an, nein, man kann auch exakt das gleiche bezahlen wie vorher. Die Führungsposition äußert sich darin, dass die Angestellte beispielsweise eigene Aufträge an Subunternehmen erteilen darf, solange sie dabei allerdings nicht ihre Zeichnungsbefugnis in Höhe von 100 Euro überschreitet. Oder man übt sich in der Praxis einiger Firmen in Norwegen, wo eine Quote „erfolgreich“ eingeführt wurde. Die (männlichen) Vorstände einiger Unternehmen ließen dort kurzerhand ihre Rechtsnorm ändern, um dem Gesetz auszuweichen. Man sieht also, dass die Quote beliebig umschifft werden kann – sie ist schlicht nutzlos. In der Tat ist sie sogar schädlich, da sie einer wahren Karrierefrau Schaden zufügen kann. Wie schnell kann man einer ehrgeizigen Frau in Zukunft vorwerfen, doch nur eine Quotenfrau zu sein? Gegenteiliges kann man schlicht nicht beweisen, da sie – ob sie will oder nicht – in die Quote einberechnet wird. Weniger talentierteren Mitbewerberinnen und Mitbewerbern wird da ein Mobbingwerkzeug an die Hand gegeben, das nie stumpf wird.

Eine wie auch immer geartete Quote bringt nicht den gewünschten Erfolg, da sie von sturen Unternehmen leicht umgangen werden kann. Die Forderung danach ist also nichts als blinder Aktionismus, um nach Wählern zu fischen. Die Intention, etwas an der aktuellen Situation zu ändern, mag ja grundsätzlich löblich sein – vom Resultat der Überlegungen kann man das allerdings nicht behaupten.

Mir ist es wichtig, dass ein Staat nur dann in die Struktur von Unternehmen und die Wirtschaft eingreift, wenn es unabdingbar ist und die Maßnahmen eine entsprechende Erfolgschance besitzen. Dass man die eigene Wirtschaft durch Überregulierung zu Grunde richten kann hat schon mal ein deutscher Staat bewiesen. Da es keine Patentlösung für das Problem gibt, muss man fürs erste darauf vertrauen, dass deutsche Firmen in Zukunft nicht mehr auf die Hälfte des – um es mal mit einem Unwort zu sagen – Humankapitals verzichten werden. Auch in unsere jungen, modernen Frauen habe ich vollstes Vertrauen. Sie werden selbstbewusster und energischer nach den Positionen verlangen, die ihnen zustehen und das sind genau solche Frauen, die man auch in der Vorstandsschaft sitzen haben möchte. Ein Quoten-Lieschen Müller bringt schließlich für beide Seiten nichts.

Nun könnte man mir vorwerfen, dass ich mit dem Titel mehr Erwartungen geweckt als ich zu erfüllen geschafft habe. Die Überschrift: „Warum die Frauenquote weniger bringt als sie verspricht“ hätte das Thema besser erfasst. Das ist richtig. Allerdings bekommt man heutzutage immer weniger als versprochen wurde und mit dieser Tradition wollte ich nicht brechen. In einer Oktoberfest-Maß sind schließlich auch nur 900 ml Bier.

Am Ende einer Beweisführung findet man oft die Abkürzung QED, was für den lateinischen Satz „Quote est Desastrum“ steht und so möchte auch ich schließen. Also: QED.