Samstag, 26. März 2011

Die es schon immer wussten

Die Landtagswahlen an diesem Wochenende haben gute Chancen, in die Geschichte Baden-Württembergs einzugehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die CDU zum ersten Mal nach 58 Jahren monopolitischer Herrschaft in Stuttgart den Stuhl des Ministerpräsidenten räumen muss, ist hoch - die Möglichkeit für die Grünen, in einem Bundesland zum ersten Mal Seniorpartner einer Koalition zu sein, in realistischem Maße vorhanden. Sollte dieser Fall eintreten, bestätigen die Grünen eine im politischen Prozess durchaus übliche Entwicklung: In Wahlen siegt derjenige, der schon immer gewusst hat, dass die Politik der anderen falsch war - und es jetzt auch noch beweisen kann. Der ein oder andere Satiriker hat sich gar getraut, im öffentlich-rechtlichen Fernsehen den Gedanken auszusprechen, den man als dem grünen Lager zugeneigte Wählerin gern verdrängen würde: Nämlich den Verdacht, dass bei aller Erschütterung über die Ereignisse in Japan so mancher Umweltaktivist sich insgeheim darüber freut, mit den eigenen Prognosen der Vergangenheit recht behalten zu haben (was übrigens nicht minder auf den allerdings zweifelsfrei bestätigten Vorwurf in Richtung der FDP zutrifft, dass diese eher ein verlängerter Arm von Lobbyisten denn Partei sei).
Sollten die baden-württembergischen Wähler (der nicht in Ba-Wü ansässige Leser sei an dieser Stelle eindrücklich auf die demographische Zusammensetzung der Bevölkerung verwiesen, die zu großen Teilen aus Bürgerlichen, Konservativen und Schwaben besteht) ihr Häkchen entgegen ihrer Gewohnheit bei den Grünen oder der SPD machen, erleben wir einen zusätzlichen historischen Moment: Es dürfte dann das erste Mal jener Fall eintreten, in dem außenpolitische, wenn nicht gar ausländische, Entwicklungen ausschlaggebend für die Entscheidung der Wahlberechtigten bei einer Landtagswahl gewesen sind. Sollten die Grünen die meisten Stimmen erhalten, liegt das nicht an ihrem Einsatz gegen "Stuttgart 21", sondern erstens an der Angst vor einer Atomkatastrophe wie in Japan und zweitens an der Kritik der Grünen am Beschluss der Bundesregierung, sich nicht an der UN-Resolution gegen Libyen zu beteiligen (und ein wenig auch an Herrn Brüderle, dessen Auftritt vorm BDI das diplomatische Geschick seiner Partei noch fragwürdiger erscheinen ließ als es der Mehrheit der Bevölkerung bislang bewusst war).
Man kann sich vielleicht auch darüber streiten, ob es wirklich die außenpolitischen Bedingungen sind, die dazu führen, dass der Wahlkampf der Grünen unter einem guten Stern steht. Vielleicht ist es doch die Innenpolitik, die die Menschen im Ländle dazu bewegt, sich ausnahmsweise "links" zu orientieren - Innenpolitik zumindest in Form der Empörung über die Inkompetenz der aktuellen Regierung, deren Entscheidungen man nunmehr per se falsch findet. Denn dass plötzlich alle Pazifisten aus den Reihen der grünen Wähler verschwunden sind, ist auch nach Joschka Fischer unwahrscheinlich.

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