Kann man einen Leitartikel über Franz Kafka schreiben, ohne seine Heimatstadt zu erwähnen? Man kann. Lothar Müller kann es sogar sehr ausführlich. Die Frage, "was ich eigentlich bin" beschäftigt Kafka in der gestrigen SZ gleich mehrfach, und auch für Max Brods Einschätzung, Kafkas Erzählungen zählten zu den "jüdischesten Dokumenten unserer Zeit" ist an etlichen Stellen Platz. Beide sind Müllers Hauptargumente im Ringen um die wahre Identität des Franz Kafka. War er Jude? War er, wie die Neue Rundschau im Jahr 1916 schrieb, ein "Urdeutscher"?
Auch wenn der Feuilletonist letzterer Einordnung nicht unbedingt recht geben will - einen jüdischen, also israelischen, Anspruch auf noch unarchivierte Autographe aus Kafkas Nachlass will Müller auch aus dem Brod-Zitat nicht ableiten.
Um zu begründen, warum das Literaturarchiv in Marbach den größeren Anspruch auf Kafkas Manuskripte und Zeichnungen habe als die Israelische Nationalbibliothek, die sich derzeit in einem Verfahren mit Max Brods Erbinnen befinden, geht Müller den umgekehrten Argumentationsweg. Wie der Literaturwissenschaftlerin Judith Butler, auf deren neuestes Buch er sich beruft, erschließt sich Müller kein logischer Zusammenhang aus Kafkas jüdischem Selbstverständnis und der Klage der Israelischen Nationalbibliothek, bei Kafka handele es sich um jüdisches Kulturgut.
Butler und Müller bedienen sich hier eines Totschlagarguments: Israel repräsentiere nicht alle Juden, sagen sie, und Kafka war nie in Jerusalem. Stimmt. Nur ist dies genauso wenig eine Rechtfertigung für die Behauptung, Kafka gehöre nach Marbach. Denn nach dieser Logik hätte zumindest Österreich einen größeren Anspruch auf die Autographe als Deutschland.
Sich auf die gefühlte Identität Franz Kafkas zu berufen, ist einzig und allein heuchlerisch. Wer den letzten Willen Kafkas ignoriert, sollte sich auch keine Gedanken darüber machen, mit welcher Ethnie er sich wohl am meisten identifiziert hat.
Ein Identifikationsmoment ist bei Kafka allerdings offensichtlich und man muss sich in dem zitatelastigen Beitrag Lothar Müllers fragen, wo Kafkas Bekenntnis zu seiner Stadt, Prag, bleibt: "Dies Mütterchen hat Krallen" - sollte eigentlich die Frage, "wem Kafka gehört", beantworten.
Auch wenn der Feuilletonist letzterer Einordnung nicht unbedingt recht geben will - einen jüdischen, also israelischen, Anspruch auf noch unarchivierte Autographe aus Kafkas Nachlass will Müller auch aus dem Brod-Zitat nicht ableiten.
Um zu begründen, warum das Literaturarchiv in Marbach den größeren Anspruch auf Kafkas Manuskripte und Zeichnungen habe als die Israelische Nationalbibliothek, die sich derzeit in einem Verfahren mit Max Brods Erbinnen befinden, geht Müller den umgekehrten Argumentationsweg. Wie der Literaturwissenschaftlerin Judith Butler, auf deren neuestes Buch er sich beruft, erschließt sich Müller kein logischer Zusammenhang aus Kafkas jüdischem Selbstverständnis und der Klage der Israelischen Nationalbibliothek, bei Kafka handele es sich um jüdisches Kulturgut.
Butler und Müller bedienen sich hier eines Totschlagarguments: Israel repräsentiere nicht alle Juden, sagen sie, und Kafka war nie in Jerusalem. Stimmt. Nur ist dies genauso wenig eine Rechtfertigung für die Behauptung, Kafka gehöre nach Marbach. Denn nach dieser Logik hätte zumindest Österreich einen größeren Anspruch auf die Autographe als Deutschland.
Sich auf die gefühlte Identität Franz Kafkas zu berufen, ist einzig und allein heuchlerisch. Wer den letzten Willen Kafkas ignoriert, sollte sich auch keine Gedanken darüber machen, mit welcher Ethnie er sich wohl am meisten identifiziert hat.
Ein Identifikationsmoment ist bei Kafka allerdings offensichtlich und man muss sich in dem zitatelastigen Beitrag Lothar Müllers fragen, wo Kafkas Bekenntnis zu seiner Stadt, Prag, bleibt: "Dies Mütterchen hat Krallen" - sollte eigentlich die Frage, "wem Kafka gehört", beantworten.
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