Dienstag, 12. April 2011

Der göttliche Bob Dylan

Bob Dylan befindet sich auf Asientour. Das ist skandalös. Er hat nämlich vorab seine Setlist den Zensurbehörden der undemokratischen Länder, duch die er tourt, gezeigt. Es standen keine Lieder mit politischer Aussagekraft darauf. Das hat die Mitarbeiter von Human Rights Watch in Rage versetzt. Bob Dylan habe damit die historische Chance verpasst, eine Freiheitsbotschaft nach Asien zu transportieren, ärgerte sich der Leiter der Asienabteilung, Brad Adams, öffentlich.
Hätte Mr. Adams die Dylan-Konzerte in Peking und Vietnam abgewartet (oder angehört), bevor er diese Aussage machte, er hätte festgestellt, dass sich der Ex-Revoluzzer nicht strikt an die von den Behörden genehmigte Playlist gehalten hat.
In China spielte Bob Dylan die unangekündigte "Ballad of a thin Man", deren ursprünglich witzigerweise konsumkritische Message er in eine wenig subtile politische verwandelte. Die Originalzeile "Do you, Mr. Jones?", die den Worten "Something is happening here, / But you don't know what it is" folgt, änderte Dylan in "Do you, Mr. Who", das ausgesprochen wohl kaum zufällig so klingt wie der Name des chinesischen Präsidenten Hu Jintao.
Sein Konzert in Ho-Chi-Minh-Stadt widmete der einstige Vietnamkriegsgegner Dylan dem vietnamesischen Pazifisten Trinh Cong Son, dem in seiner Heimat sonst selten öffentlich gedacht wird.
Beides wäre nicht möglich gewesen, hätte Bob Dylan den chinesischen und vietnamesischen Zensurbehörden im Vorfeld Setlisten mit kritischen Inhalten präsentiert. Im besten Fall hätten sie die ohnehin strengen Kontrollen während der Konzerte noch verschärft, im schlechtesten den Gast diskret ausgeladen. Ob die Menschenrechte darunter dann weniger gelitten hätten, ist fraglich - zumindest hätte man es in China und Vietnam nicht gewusst, Mr. Adams hätte es vermutlich nicht interessiert.
Nun braucht man Bob Dylan nicht zu unterstellen, er verfolge keinerlei wirtschaftliche Interessen, wenn er ein Konzert gibt (und zwar unabhängig von der Staatsform des Landes, in dem die Konzerthalle steht). Es waren jedoch Leute wie Brad Adams, die Bob Dylan zur Kommerzfigur stilisiert haben. Ihm eine "historische" Verantwortung aufzuerlegen, ist deshalb genauso heuchlerisch wie ein sehr demokratischer Staat, der eine Ausstellung über die "Kunst der Aufklärung" auf dem Platz des Himmlischen Friedens zeigt und zugleich schweigend zusieht, wie systemkritische chinesische Künstler spurlos verschwinden.
Sollte die Begründung hierfür sein, dass vom göttlichen Bob Dylan mehr zu erwarten sei als von einem vollends menschlichen Guido Westerwelle, kann man das nur äußerst bedauerlich finden.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen