Sonntag, 17. April 2011

Plädoyer für weniger Politik

Preisfrage: In welchem Ressort behandelt die Süddeutsche Zeitung neuerdings serienmäßig "Die grüne Frage"? Eben nicht! Politische Philosophen und andere Experten schreiben zum Thema auf der Startseite des Feuilletons, nicht im Politikteil. Es ist erfreulich und gut zu wissen, dass Feuilletonisten nicht nur diejenigen sind, die sich in ihrer Freizeit in der hauseigenen Bibliothek einschließen, im Spanien-Urlaub lieber ins Dalí-Museum gehen als an den Strand und an Weihnachten unbedingt echte Kerzen am Christbaum brauchen. Feuilletonisten sind nicht realitätsfremd, sie interessieren sich für Politik. Zur Kenntnis genommen.
Ja, Feuilleton, das bedeutet auch, Platz zu haben für Essays und Philosophisches, es bedeutet nicht nur, über im Grunde doch belanglose Literatur und Ausstellungen und Künstler zu berichten. Aber wäre es nicht viel schöner, wenn es so wäre? Wenn die politisch interessierte Leserin, nachdem sie sich auf den ersten Seiten ihrer Tageszeitung über den Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg, über Bürgerkriege und aufmüpfige Nato-Mitglieder informiert hat, all das aufrichtig bedeutend und interessant findet - wenn diese Leserin nun 20 Minuten lang nicht konfrontiert werden möchte mit der Atomdebatte, Diktatoren und Generalsekretären? Dann bemüht sie den Feuilleton, wo sie Texte über ebenso Belangloses wie wunderbar Unterhaltsames vermutet, stattdessen aber die Worte Kernkraft und Landtagswahl lesen muss; wo ihr im schlimmsten Fall sogar das Konterfei eines Philipp Rösler entgegenblickt.
Tatsächlich: Aus diesen Themen machen Menschen unglaublich bedeutsame Kunst. Kunst, die eine Aussage hat. Und als sich diese Leserin gerade fragt, ob niemand mehr Kunst der Kunst wegen macht oder machen darf, da entdeckt sie den Leitartikel der Kultur, der das Unpolitische des deutschsprachigen Pop beklagt. Über eine Gruppe namens Kreisky, die der Leserin bislang unbekannt war, schrieb die FAZ - im Feuilleton - dass sie Österreichs "gefährlichste Rockband" sei, weil sie "die deutschsprachige Rockmusik wieder aus ihrer Belanglosigkeit führen könne". Die SZ kritisiert die FAZ-Kritik. Ist Kreisky nicht genauso belanglos wie alle anderen, weil ihr Songtexter die Lyrics "betont hingerotzt" hat?
Ja, dem scheint so. Obwohl, vielleicht ist Kreisky auch nicht ganz so belanglos wie jener Leitartikel, trägt die Band doch immerhin zum Entertainment ihrer Zuhörer bei.
Was kann die Leserin also tun, der Politik zu entfliehen? Sie wird sich wohl in die hauseigene Bibliothek zurückziehen, den Strand in Spanien meiden, stattdessen Dalís Haus besuchen und eisern am traditionellen Zelebrieren von Festtagen festhalten. Und irgendwann wird sie vielleicht eine echte Feuilletonistin, ganz und gar realitätsfremd.

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